KUBlog
Lossagen (vom Algorithmus)
Ibrahim Diallo beschreibt in einem Beitrag eine Entwicklung, bei dem nicht mehr Nutzer entscheiden, welche Inhalte sie im Internet sehen wollen. Sie konsumieren zunehmend das, was die Algorithmen der BigTech-Oligarchen empfehlen.
On TikTok, you don’t surf the web. You don’t think of an idea and then research it. Instead, based entirely on your activity in the app, their proprietary algorithm decides what content will best suit you.
Fast alle Plattformen (aka „Social Media“) funktionieren inzwischen so. Durch die Integration von Chatbots könnten in Kürze auch Browser gezielt Inhalte anzeigen.
Imagine this for a second: You open your web browser. Instead of a search bar or a list of bookmarks, you’re greeted by an endless, vertically scrolling stream of content. Short videos, news snippets, product listings, and interactive demos. You don’t type anything, you just swipe what you don’t like and tap what you do. The algorithm learns, and soon it feels like the web is reading your mind.
Statt im Web zu surfen, wird Nutzern das Web serviert.
Der Beitrag endet mit Lösungsstrategien. Hier zuerst ein Punkt, dem ich nicht zustimme:
No, you don’t have to demand more from these platforms. You don’t have to vote for a politician.
Dem widerspreche ich: Es ist Aufgabe von Politikern, Bürger vor dem rücksichtslosen Gewinnstreben der BigTech-Oligarchen zu schützen.
Diallo setzt hingegen auf das Handeln des Einzelnen:
The very first thing to do is remember your own agency. You are in control of the web you see and use.
In diesem Punkt stimme ich vorbehaltlos mit ihm überein. Niemand muss digitale Produkte nutzen, die schädlich für den Einzelnen und die Gesellschaft sind.
Zum Stand der digitalen Bürgerrechte
Chatkontrolle
Die sogenannte Chatkontrolle, also die anlasslose Massenüberwachung aller EU-Bürger, hat erfreulich viel Aufsehen erregt und Widerspruch ausgelöst. In der Folge wurde die für den 14. Oktober geplante Abstimmung im EU-Rat auf unbestimmte Zeit verschoben.
Soll aber mal keiner glauben, dass sich die Sache damit erledigt hat. Die Betonung liegt auf „verschoben“. Bereits im Dezember könnten die Befürworter anlassloser Überwachung den nächsten Versuch starten, sagt Elina Eickstädt im Podcast Logbuch Netzpolitik.
Digitaler Omnibus
benfalls Thema im Podcast ist der digitale Omnibus. Dies ist die Bezeichnung für den Versuch, auf europäischer Ebene Regeln, welche die Rechte der Bürger gegenüber dem Gewinnstreben von Big-Tech stärken, abzuschwächen oder am besten ganz abzuschaffen.
Dabei handelt es sich um ein Einknicken der Europäer vor den USA. Thomas Lohninger sagt:
„Dieser Omnibus sieht schon sehr nach dem aus, was sich Donald Trump wünschen würde.“
Die Beschreibung der Zukunft fällt dementsprechend ernüchternd aus:
„Diese Gesetzgebungsperiode auf EU Ebene, die nächsten vier, fünf Jahre, stehen unter dem Zeichen schlimmeres abzuwenden und überhaupt nur zu verteidigen, was wir schon haben. Da geht’s nicht mehr um Zukunft gestalten. Da geht es eigentlich nur darum, nicht den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen.“
Das Wegwerfen von dem, was Europa einzigartig macht, ist kein Standortvorteil.
Digital Fairness Act
In einem Blogbeitrag berichtet die NGO EDRi über den Stand beim Digital Fairness Act (DFA).
Die EU-Kommission überprüfte im „Digital Fairness Fitness Check“, ob die Bürger durch die bestehenden Gesetze (DMA, DSA, DSGVO, AI-Act) ausreichend gegen unfaire Praktiken der Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen geschützt sind.
Ergebnis: Nein. Sind sie nicht.
Also so gar nicht.
Die Anbieter setzen im großen Stil Methoden zum Nachteil der Nutzer ein. Dazu zählen süchtig machendes Designs (z.B. infinite scroll), Dark Patterns (z.B. Verbergen von wichtigen Informationen) und unfaire Personalisierung (z.B. Surveillance Pricing)
The Digital Fairness Fitness Check estimated that unfair practices cause at least EUR 7.9 billion in consumer harm each year, excluding time loss and mental distress. Yet the true impact is far greater than financial loss. Manipulative and exploitative design directly infringes people’s rights, for instance to privacy, data protection, autonomy, equality, freedom of thought, and participation in public life. It shapes how people act and decide, reproduces structural discrimination, and entrenches dependency on platforms that profit from vulnerability.
Von der Gestaltung des DFA hängt ab, ob europäische Bürger weiterhin wie Vieh zur Schlachtbank der US-Monopolisten geführt werden, oder ob digitaler Verbraucherschutz ein wesentlicher Aspekt europäischer Lebensweise wird.
Die BigTech-Lobbyisten
Ein Stärkung digitaler Bürgerrechte setzt dem Gewinnstreben der großen Technologieunternehmen Grenzen. Das wollen diese sich nicht bieten lassen und stecken so viel Geld wie nie zuvor in Lobbyismus.
Felix Duffy berichtet für die NGO LobbyControl über die Lobbyausgaben der Digitalindustrie.
Ihre üppigen Lobby-Budgets hat die Digitalindustrie dafür genutzt, um mit Nachdruck für eine Deregulierung der EU-Digitalpolitik zu werben. Diese Lobbyoffensive scheint Wirkung zu zeigen. In jüngster Zeit fordern etwa mehrere politische Entscheidungsträger:innen, die Arbeiten am KI-Gesetz (AI Act) auszusetzen. Zugleich gibt es koordinierte Versuche, die Datenschutzrechte der Bürgerinnen nach der DSGVO zu schwächen. Auch der Digitale Märkte-Gesetz (DMA) und das Digitale Dienste-Gesetz (DSA) werden von den großen Tech-Konzernen fortlaufend angegriffen. Teils geschieht das sogar mit Unterstützung aus der Trump-Administration.
Fazit
Die Rechte der Bürgen gegenüber der Digitalindustrie wurde in den letzten Jahren durch eine Reihe von Gesetzen gestärkt. Diese Entwicklung versucht BigTech mit dem Einsatz ihrer quasi unbegrenzten finanziellen Mittel zu bremsen oder sogar zurück zu drehen.
Jeder Einzelne kann ein Zeichen gegen das Machtstreben der großen Technologien setzen, indem er zum Beispiel eine Suchmaschine nutzt, die keine Datenkrake ist. Diese persönlichen Entscheidungen haben aber wenig Einfluss auf das „Big Picture“.
Nur eine harte Regulierung und deren konsequente Durchsetzung kann dem maßlosen Gewinnstreben auf Kosten der europäischen Bürger Grenzen setzen. Die politischen Vertreter der EU müssen sich den Einflüsterungen der Lobbyisten entgegen stellen und die Rechte der europäischen Bürger verteidigen.
Das Engagement der Zivilgesellschaft beim Thema Chatkontrolle hat gezeigt, dass das Wachrütteln von Politikern Wirkung zeigt.
Wir bleiben dran.
Wenn Bots mit Bots sprechen
Ein Zukunftsszenario für das Internet: Inhalte, die von Bots generiert werden und danach nur von Bots abgerufen werden. Menschen machen dann etwas anderes. Vielleicht treffen sie sich mit Freunden oder gehen im Wald spazieren.
Für das Geschäftsmodell vieler Unternehmen stellt das ein Problem dar. Bereits letztes Jahr machte ein Mann Schlagzeilen, der KI-generierte Songs auf Spotify veröffentlichte und von Bots millionenfach abrufen ließ.
Jetzt berichtet Emanuel Maiberg von 404media von „Synthetic Influencers“. Der Anbieter Doublespeed bietet als Dienstleistung virtuelle Nutzer auf Social Media Plattformen an.
Durch den Einsatz von KI werden diese nicht von der Boterkennung enttarnt. Kunden von Doublespeed zahlen vierstellige Monatsbeiträge, um die Likes, Reposts und Kommentare der „Synthetic Influencers“ für eigene Projekte einzusetzen. Erfolgreiches Botverhalten wird durch die KI erkannt und weiterentwickelt.
“Winners get cloned, not repeated. Take proven content and spawn variation. Different hooks, formats, lengths. Each unique enough to avoid suppression,” the site says.
Eine weitere Verschärfung von Sturgeons Gesetz.
Sturgeons Gesetz […] ist eine Hypothese, die auf der Offenbarung […] beruht, laut der knapp 90 Prozent von allem Mist sei (englisch: ninety percent of everything is crap).
Durch das Internet wurde der Wert auf 99 Prozent erhöht, durch KI auf 99,98 Prozent.
Wir treffen uns dann beim Waldspaziergang.
Killswitch
Cory Dotorow weist in einem Beitrag noch einmal darauf hin, dass die Technologiekonzerne in den USA ihren Kunden auf Zuruf der Trump-Administration den Zugang zu Produkten und Dienstleistungen sperren.
When Trump denounced Karim Khan, the Chief Prosecutor of the International Criminal Court, for indicting Netanyahu for genocide, Microsoft obliged by nuking Khan’s email, documents, calendar and contacts
Das ist besorgniserregend, da weltweit ein großer Teil der digitalen Infrastruktur auf den Produkten US-amerikanischer Dienstleister aufbaut. Und der Irre in Washington kann jederzeit mit seinem Killswitch das Licht ausmachen.
Europa muss sich auf Erpressungsversuche durch die Trump-Administration vorbereiten. Höchste Zeit für digitale Unabhängigkeit.
Massenüberwachung digital
Die Digitalisierung eröffnet Staaten viele Möglichkeiten bei der Überwachung der eigenen Bürger. Zum Beispiel können die digitalen Aufnahmen moderner Überwachungskameras zentral zusammengeführt und mit digitalen Werkzeugen ausgewertet werden.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte warnt in einem Blogbeitrag davor, dass die Bundesregierung die digitale Überwachung der deutschen Bevölkerung weiter vorantreibt.
Bereits bestehende Pläne, die Aufnahmen von Überwachungskameras mit Gesichtsdatenbanken abzugleichen, widersprechen europäischem Recht.
Um den biometrischen Abgleich mit Bildern aus dem Internet wie vorgesehen durchzuführen, müssen ausnahmslos Datenbanken zur Gesichtserkennung genutzt werden. Damit ist ein solches Gesetz europarechtswidrig und zum Scheitern verurteilt.
Auch der Einsatz der Software Palantir ist mit den Grundsätzen eines liberalen Rechtsstaates nicht vereinbar.
Internet-Scans nach Gesichtern und Palantir bringen uns nicht mehr Sicherheit – sie sind ein Angriff auf unsere Grundrechte und ein Schritt in den Überwachungsstaat. Das dürfen wir nicht akzeptieren.
Zahlt hier jemand mit Apple Pay?
Luke Goldstein schriebt für Jacobin über Großkonzerne, die als unregulierte Bank zum Teil deutlich mehr Geld verdienen, als mit ihrem „Kerngeschäft“.
Nutzer solcher Finanzdienstleistungen sind sich meist nicht über das Problem für die eigene Privatsphäre bewusst.
[…] users’ financial information is one of the last remaining frontiers for data privacy. That’s because sensitive financial data, unlike online shopping patterns or location tracking, has typically been well protected at tightly regulated banking institutions.
By running payment networks, Google, Meta, and Amazon have a God’s-eye view into financial transactions that take place not just on their own platforms but across others when users pay with their digital wallets.
Brasilien hat ein sehr erfolgreiches, digitales Zahlungssystem namens PIX eingeführt. Das gefällt den USA unter anderem deswegen nicht, weil sie über diese Finanztransaktionen keine Daten mehr sammeln können.
U.S. trade authorities also say that, by protecting consumer data that PIX collects, the Brazilian government is hurting American companies that use such information to make business decisions and develop new products.
Jeder, der Apple Pay, Google Pay, Amazon Pay oder die Kreditkarte seiner Tankstelle verwendet, sollte sich bewusst machen, dass diese Dienstleister persönliche Daten zur eigenen Gewinnmaximierung verwenden, weiterverkaufen und am Ende zum Nachteil der eigenen Nutzer verwenden.