Kai-Uwe Makowski

KUBlog

Überwachung durch Bargeld

Den meisten Internetnutzern dürfte inzwischen bekannt sein, dass Bewegung im Netz kontinuierlich überwacht und aufgezeichnet wird. Das Bezahlen mit Bargeld gilt vielen hingegen als anonym und nicht nachverfolgbar. Recherchen von Martin Schwarzbeck und Marc Lagies für netzpolitik.org zeichnen ein anderes Bild. Die Bewegung einzelner Geldscheine wird über viele Stationen hinweg überwacht und kann Personen zugeordnet werden.

Diese Überwachung kann zur Aufklärung von Straftaten genutzt werden, z.B. wenn Banknoten aus einer Geldautomatensprengung vom Täter in Verkehr gebracht werden. Allerdings sind auch unbescholtene Bürger Gegenstand dieser anlasslosen Überwachungsmaßnahme.

> Denn aus den Zahlungsspuren ließen sich persönliche oder gar intime Details ablesen: mehr oder weniger gesunde Ernährung, Süchte, Liebschaften. „Das sind Informationen, die andere nichts angehen. Hier haben Menschen das legitime Interesse, keine Spuren zu hinterlassen“

5000 Euro für Facebook-Nutzer

Meta überwacht nicht nur die eigenen Nutzer kontinuierlich, es legt auch sogenannte Schattenprofile von Menschen an, die nicht an der freiwilligen Massenüberwachung teil nehmen.

Die Sammlung von persönlichen Daten ohne Zustimmung und die anschließende Übertragung dieser Daten in die USA sind ein klarer Verstoß gegen europäische Gesetze. Somit ist es auch nicht überraschend, dass das Landgericht Leipzig einem Nutzer eine Entschädigung für den Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten zugesprochen hat.

Die Höhe der Entschädigung beträgt 5000 Euro.

> Damit, dass Meta mit seinen Business Tools massiv gegen europarechtlichen Datenschutz verstößt, die personenbezogenen Daten zu einem Profiling der Nutzer von Facebook verarbeitet und Meta mit dem Geschäftsmodell der personalisierten Werbung Milliardengewinne einfährt, hat das Gericht die hohe Entschädigungssumme gerechtfertigt.

Erfreulicherweise setzen sich die Gerichte für den Schutz der Privatsphäre ein, nachdem die Politik auf diesem Gebiet nicht nur versagt, sondern sich oft genug zum willfährigen Helfer krimineller Datenhändler gemacht hat.

> Die Kammer ist sich der Folgen ihrer Entscheidung bewusst. Auch wenn sie dazu führen könnte, dass viele Facebook-Nutzer Klage erheben, ohne einen individuellen Schaden explizit darzulegen, widerspricht dies nicht den gesetzgeberischen Zielen der DSGVO, gerade auch mittels Private Enforcement den Datenschutz vor Zivilgerichten und damit jenseits rein behördlicher Maßnahmen effektiv durchzusetzen.

Natürlich wird Meta alle Möglichkeiten nutzen, gegen dieses Urteil vorzugehen. Denn am Ende haben alle deutschen Bürger Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihre Daten von Meta gesammelt und in die USA übertragen wurden. 5000 Euro für alle wäre vielleicht sogar ein Anlass für Zuckerberg sein Geschäftsmodell zu überdenken.

Millionenstrafe für Google

Die Google Variante des Betriebssystems Android späht seine Nutzer kontinuierlich aus indem es Daten über das Nutzerverhalten an die Server von Google sendet. Auch über mobile Datenverbindungen und ohne Zustimmung der Nutzenden.

Daniel AJ Sokolov berichtet für heise, dass ein Gericht in Kalifornien diese Praxis als rechtswidrig eingestuft hat und Google zu Schadensersatz in Höhe von 314,6 Millionen Dollar verurteilte.

> In diesem Fall geht es allerdings nicht um Datenschutz, sondern direkt um Geld: Die Android-Smartphones warteten mit der Datenübertragung nämlich nicht auf WLAN-Zugang mit Datenflatrate, sondern verbrauchten durchaus Datenvolumen des jeweiligen Mobilfunkvertrages. Das schade den Nutzern, weil sie dadurch höhere Kosten hätten oder früher in die Bandbreitendrosselung ihres Mobilfunkanschlusses gerieten.

Inzwischen sollten es alle gehört haben: Wer Google-Produkte nutzt, der verliert die Kontrolle über die eigenen Daten. Dass man für den Verlust von Privatsphäre auch noch bezahlt ist eine neue Qualität.

Malicious Compliance (Apple Style)

Apple untersagte bisher ihren Kunden, auf Bezahlmöglichkeiten außerhalb des Apple-Ökosystems oder auf alternative Appstores hinzuweisen. Dies entspricht nicht den Regeln innerhalb der EU, bereits vor einigen Wochen wurde in dieser Sache eine Strafe in Höhe von 500 Millionen Euro ausgesprochen.

Dadurch wurde Apple natürlich nicht von der Pflicht befreit, die Regeln zu befolgen. Gestern wurden die neuen Geschäftsbedingungen veröffentlicht.

 

Erwartungsgemäß macht Apple es so unattraktiv wie möglich für Entwickler, ihre Rechte wahr zu nehmen. Sogenannte „Junk-Fees“, also Fantasiegebühren, und technologische Einschränkungen sollen das rechtswidrige Geschäftsmodell zum Schaden aller Nutzer so lang wie möglich aufrecht erhalten.

Es handelt sich hierbei um ein Paradebeispiel für Malicious Compliance.

DMA: Die Strafen und die Reaktionen

Die EU hat mit dem Digital Markets Act (DMA) eine Verordnung erlassen, um Monopole aufzubrechen und den Wettbewerb fairer zu gestalten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_%C3%BCber_digitale_M%C3%A4rkte

Apple wurde durch den DMA dazu verpflichtet, ihre digitale Infrastrutur für Drittanbieter zu öffnen. Apple kam dieser Verpflichtung eher widerwillig nach.

Pluralistic: Apple to EU: „Go fuck yourself“ (06 Feb 2024)

https://pluralistic.net/2024/02/06/spoil-the-bunch/

Die Umsetzung erschien der EU unzureichend, im Ergebnis wurde 2024 ein Verfahren eröffnet.

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eu-kommission-untersuchung-apple-100.html

https://netzpolitik.org/2025/digital-markets-act-millionenschwere-wettbewerbsstrafen-fuer-apple-und-meta

Die Strafe für Apple ist eher mild ausgefallen. Als Höchststrafe sieht der DMA zehn Prozent des globalen Jahresumsatzes vor. Damit wäre in diesem Fall eine Strafe von 39 Milliarden Dollar möglich gewesen.

https://www.theguardian.com/commentisfree/2025/apr/24/the-eu-fined-apple-and-meta-but-failed-to-really-hold-them-to-account-was-that-to-appease-trump

Die EU besteht auch weiterhin auf die Erfüllung aller Auflagen und droht mit weiteren Strafen.

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1086

Developers wanting to use alternative app distribution channels on iOS are disincentivised from doing so as this requires them to opt for business terms which include a new fee (Apple’s Core Technology Fee). Apple also introduced overly strict eligibility requirements, hampering developers‘ ability to distribute their apps through alternative channels. Finally, Apple makes it overly burdensome and confusing for end users to install apps when using such alternative app distribution channels.

heise.de beleuchtet auch eine andere Perspektive. Sowohl das Verhältnis zu den USA als auch der Spin des iPhone-Herstellers spielen bei dieser Entscheidung eine Rolle.

https://www.heise.de/meinung/EU-Strafen-gegen-Apple-und-Meta-Spiel-Satz-aber-noch-lange-kein-Sieg-10360260.html

Und in der Folge stellt sich die Frage, ob eine Mehrheit der Bürger von der Notwendigkeit der Regulierung überzeugt genug ist, diese Reaktion auszuhalten, die sich direkt auf sie und ihren Alltag auswirken könnte.

Die Reaktionen sind erwartbar. Apple ist nicht erfreut und wird sich juristisch wehren.

https://arstechnica.com/tech-policy/2025/04/apple-and-meta-furious-at-eu-over-fines-totaling-e700-million

LG monetarisiert Gefühle

Die Zeiten, in denen Hersteller von Fernsehern ihr Geld allein mit dem Verkauf der Geräte verdienten, sind längst vorbei. Nachdem ein Käufer den Fernseher gekauft hat beginnt in dem Moment, in dem der Fernseher mit dem Internet verbunden wird, das Sammeln und Vermarkten der persönlichen Daten.

https://arxiv.org/abs/2409.06203

Wie arstechnica berichtet, plant der Hersteller LG nun auch die Gefühlslage ihrer Kunden.

https://arstechnica.com/gadgets/2025/04/lg-tvs-integrated-ads-get-more-personal-with-tech-that-analyzes-viewer-emotions

The company plans to [...] interpret psychological factors impacting a viewer, such as personal interests, personality traits, and lifestyle choices.

Die so gewonnen Daten sollen ein noch gezielteres Ausspielen von personalisierter Werbung über den Fernseher ermöglichen.

Wem diese Aussicht nicht gefällt, sollte sich gut überlegen, ob er seinen neuen Fernsehapparat überhaupt mit dem Internet verbinden will.